Montag, 9. September 2013

Die Wahlen in Kambodscha: Ein Überblick zur aktuellen Situation

Wie einige von euch vielleicht mitbekommen haben, fanden am 28. Juli in Kambodscha Parlamentswahlen statt, deren Ergebnisse nicht unstrittig sind. Nach wochenlangen Diskussionen und Anschuldigungen zwischen der Regierungspartei und der Opposition wurden gestern schließlich die endgültigen Wahlergebnisse verkündet - allerdings unterscheiden die sich nicht von den vorläufigen Ergebnissen, die die Regierung bereits einen Tag nach den Wahlen veröffentlicht hatte.

Laut offiziellem Ergebnis hat die Regierungsparty CPP (Cambodian People's Party) 68 Sitze im Parlament erhalten, die Oppositionspartei CNRP (Cambodian National Rescue Party) 55 Sitze. Die anderen Parteien haben den Einzug in die Nationalversammlung bei der diesjährigen Wahl gar nicht geschafft.

Die CPP unter Premierminister Hun Sen ist bereits seit 28 Jahren an der Macht und hat die Verwaltungsorgane des Landes fest im Griff, einschließlich des Wahlkommitees. Anschuldigungen wegen Korruption, Nepotismus, Landvertreibungen, Beschränkung der Pressefreiheit, Einschüchterung der Opposition und dergleichen gehören zum Alltag, haben der Machtposition der Partei bisher aber nur wenig Schaden zugefügt. Vor allem bei der ländlichen Bevölkerung, die nur ein begrenztes Bildungsniveau und keinen Zugang zu unabhängingen Medien hat, findet die CPP breite Unterstützung.
Premierminister Hun Sen
Die Gunst der jungen städtischen Bevölkerung gehört mittlerweile jedoch eher der nationalliberalen CNRP, die 2012 durch den Zusammenschluss der Sam-Rainsy-Partei und der Human Rights Party entstand und sich für die Stärkung der Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten einsetzt. Wie auch die CPP beansprucht die CNRP den Wahlsieg für sich und wirft der Regierungspartei massiven Wahlbetrug vor. Seit Wochen fordert die Partei die Neuauszählung der Stimmen und die Einrichtung einer unabhängigen Untersuchungskommission unter UN-Aufsicht, die den Hinweisen auf Betrug nachgehen soll. Die CPP wäre durchaus zur Bildung einer solchen Kommission bereit gewesen, allerdings nur unter Leitung des nationalen Wahlkommitees. Das wiederum lehnt die Opposition ab, die dem Kommitee vorwirft, nicht unabhängig zu sein. Nachdem mittlerweile sowohl das Wahlkommitee als auch der Verfassungsrat sämtliche Beschwerden abgewiesen haben, gibt es für die Opposition nun keine Möglichkeit mehr, das Ergebnis auf dem Rechtsweg anzufechten.
Oppositionsführer Sam Rainsy
Bereits am Samstag fand eine lang vorbereitete Demonstration statt, die jedoch eher einem Massengebet glich. Die meiste Zeit über saßen die Demonstranten im Park, eine Lotusblüte in der Hand und ein paar Protestschilder hier und dort. Die CNRP betont immer wieder den friedlichen Charakter der Proteste und hielt letzte Woche im Friedenspark von Phnom Penh sogar mehrere Trainings zu gewaltfreiem Widerstand ab. Während die kambodschanischen (und staatlich kontrollierten) Medien im Vorfeld der Demo die Angst vor Ausschreitungen schürten, befürchtete man auf Seiten der Opposition eher Polizeigewalt. Letztlich blieb alles ruhig und abgesehen von einer leicht erhöhten Polizeipräsenz war kaum etwas von den Spannungen zu spüren.

Demonstranten in der Nähe des Wat Phnum

Was ist überhaupt dran an den Betrugsvorwürfen?

Bedenken hinsichtlich der Wahl wurden von verschiedenen Seiten geäußert. Situation Room, ein Zusammenschluss von NGOs und Wahlbeobachtern, hat Hinweise für mehr als 10.000 Fälle von Wahlbetrug zusammengetragen und sowohl die EU als auch die UN fordern eine unabhängige Aufklärung der Unregelmäßigkeiten. Die Opposition geht davon aus, dass über 1 Mio. Namen von den Wählerlisten entfernt wurden und auch Human Rights Watch wirft der Regierungspartei Betrug vor.

Davon abgesehen haben alle Kambodschaner, mit denen ich mich darüber unterhalten habe, von Vorfällen berichtet. Fast jeder kennt einen Angehörigen oder Freund, der nicht wählen durfte, weil sein Name nicht auf der Liste stand, obwohl er offiziell registriert war. Außerdem hört man immer wieder davon, das andere mehrfach unter verschiedenen Namen gewählt haben und dass die eigentlich unlösliche Tinte, mit der man seinen Fingerabdruck abgab und die zeigte, dass man bereits gewählt hat, sich in vielen Fällen leicht abwaschen ließ. Zudem tauchen Tausende "ghost names" auf den Wahllisten auf, also Namen, hinter denen sich offenbar keine tatsächlich existierende Person verbirgt.

Und wie geht es jetzt weiter?

So genau weiß das niemand. Die CNRP will die Eröffnungssitzung der Nationalversammlung boykottieren und hat weitere Demonstrationen angekündigt. Die CPP lässt verlauten, dass sie auch ohne die Opposition eine Regierung bilden wird und setzt wohl darauf, dass die Proteste im Sande verlaufen.
Die Beobachter und die Medien sind sich uneins: Während die einen eine einsetzende Demonstrationsmüdigkeit diagnostizieren, erkennen andere den Beginn eines "kambodschanischen Frühlings". Da hilft nur eins: Wait and see.

Wer mehr wissen möchte, findet auf den Seiten der Phnom Penh Post und der Cambodia Daily aktuelle und unabhängige Nachrichten.

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