Donnerstag, 20. März 2014

Und der Wald verschwindet Baum für Baum...

Einige von euch haben sich vielleicht gefragt, warum wir überhaupt versuchen, ein Ökotourismus-Projekt aufzubauen. Muss wirklich jeder idyllische Wasserfall in eine Touristenattraktion verwandelt werden und muss aus jeder abgelegenen Bergregion ein Trekking-Paradies gemacht werden? Als ich das Projektgebiet zum ersten Mal besuchte, fand ich die Vorstellung, dass dort in Zukunft Touristengruppen per Bus abgeladen werden sollen, eher irritierend. Nach ein paar Tagen in einem der Partnerdörfer des Projekts wurde mir jedoch schnell klar, dass Tourismus die wahrscheinliche einzige Möglichkeit ist, den Wald und die natürlichen Ressourcen in der Umgebung zu schützen. 


Die Dorfbewohner leben hauptsächlich von der Landwirtschaft – es gibt Reisfelder, viele Familien züchten Hühner oder Kühe, manche haben auch ein paar Schweine oder pflanzen Gemüse an. Die Erträge reichen meist gerade so, um die eigene Familie zu versorgen und vielleicht ein bisschen was im Dorf zu verkaufen. Es gibt keinen Strom, die Straßen sind in schlechtem Zustand und die Bildungsmöglichkeiten sehr begrenzt – viele Dorfbewohner haben nur die Grundschule besucht. 

Das einzige lukrative Geschäft in der Umgebung bietet der Wald. Je nach Baumsorte bringt ein Kubikmeter Holz bis zu mehreren hundert Dollar ein – auf dem Weltmarkt sind einige Arten angeblich bis zu 2000 USD wert. Da ist es nur verständlich, dass so manch einer diese Art der Einkommensbeschaffung vorzieht und sich nicht um die Gesetze schert, laut denen das Abholzen der Wälder illegal ist. Warum auch, Konsequenzen sind schließlich kaum zu befürchten. Wenn ich im Projektgebiet unterwegs bin, sehe ich jeden Tag mindestens fünf Holzladungen, die in die nächste Stadt gefahren werden, ohne dass sich jemand die Mühe machen würde, die Transporte zu tarnen oder heimlich durchzuführen. Diese Woche erst trafen wir in der Nähe des Wasserfalls auf zwei junge Männer mit Campingausrüstung und Sägen. Ein Kollege informierte sofort die zuständigen Behörden und das Forstwirtschaftskommittee. Von Letzterem erfuhr er jedoch, dass die beiden zuvor einer örtlichen Polizeistation einen Besuch abgestattet hatten. Angesichts der Unverfrorenheit, mit der hier Bäume abgeholzt und abtransportiert werden, wäre es kaum eine Überraschung, wenn die Polizei am Gewinn beteiligt würde…

Dass illegale Abholzung in Kambodscha ein riesiges Problem ist, an dem auch der Verwaltungsapparat und die Polizei mit Schuld sind, ist an sich nichts Neues. Aber es im eigenen Projektgebiet so mitzuerleben ist doch nochmal etwas anderes. Tagsüber fährt man durch eher trostloses Buschland, das den Erzählungen meines Kollegen Sean zufolge vor 15 Jahren noch von dichtem Dschungel bewachsen war, wobei man den Blick über grün-braune Hügel schweifen lässt, deren Waldbestand sich schon merklich gelichtet hat und von denen immer mal wieder weiße Rauchfahnen aufsteigen. Nachts erkennt man dann plötzlich mit erschreckender Deutlichkeit, an vielen Stellen der Wald tatsächlich brennt - in einer nur vom Sternenlicht erhellten Gegend ist jedes noch so kleine Feuer weithin sichtbar. Ich habe meine Kollegen gefragt, wie die Brände entstehen, da es sich ganz offensichtlich nicht um Rodung zur Schaffung von Anbauflächen handelt. Bloße Achtlosigkeit, sagen sie. Die Holzfäller bereiten sich etwas im Wald etwas zu Essen zu und machen sich nicht die Mühe, das Feuer hinterher auszumachen. Und abgesehen davon kann in dieser staubtrockenen Jahreszeit auch schon ein weggeworfener Zigarettenstummel reichen.

In einem Land wie Kambodscha, in dem Polizisten aufgrund ihres niedrigen Gehalts auf zusätzliche Einnahmen angewiesen sind, kann man gegen solche Geschäfte nur vorgehen, indem man alternative Einkommensquellen schafft und den Menschen beweist, dass die Wälder mehr wert sind, wenn sie erhalten bleiben. Wenn Touristen in die Gegend kommen, um sich in der Natur zu erholen, entsteht auch ein Anreiz diese zu schützen. Bleibt nur zu hoffen, dass bis dahin noch Wälder übrig sind…

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