Einige von euch haben sich vielleicht gefragt, warum wir überhaupt versuchen, ein Ökotourismus-Projekt aufzubauen. Muss wirklich jeder idyllische Wasserfall in eine
Touristenattraktion verwandelt werden und muss aus jeder abgelegenen Bergregion
ein Trekking-Paradies gemacht werden? Als ich das Projektgebiet zum ersten Mal
besuchte, fand ich die Vorstellung, dass dort in Zukunft Touristengruppen per
Bus abgeladen werden sollen, eher irritierend. Nach ein paar Tagen in einem der
Partnerdörfer des Projekts wurde mir jedoch schnell klar, dass Tourismus die
wahrscheinliche einzige Möglichkeit ist, den Wald und die natürlichen
Ressourcen in der Umgebung zu schützen.
Die Dorfbewohner leben hauptsächlich von der Landwirtschaft –
es gibt Reisfelder, viele Familien züchten Hühner oder Kühe, manche haben auch
ein paar Schweine oder pflanzen Gemüse an. Die Erträge reichen meist gerade so,
um die eigene Familie zu versorgen und vielleicht ein bisschen was im Dorf zu
verkaufen. Es gibt keinen Strom, die Straßen sind in schlechtem Zustand und die
Bildungsmöglichkeiten sehr begrenzt – viele Dorfbewohner haben nur die
Grundschule besucht.
Das einzige lukrative Geschäft in der Umgebung bietet der
Wald. Je nach Baumsorte bringt ein Kubikmeter Holz bis zu mehreren hundert
Dollar ein – auf dem Weltmarkt sind einige Arten angeblich bis zu 2000 USD
wert. Da ist es nur verständlich, dass so manch einer diese Art der Einkommensbeschaffung
vorzieht und sich nicht um die Gesetze schert, laut denen das Abholzen der
Wälder illegal ist. Warum auch, Konsequenzen sind schließlich kaum zu
befürchten. Wenn ich im Projektgebiet unterwegs bin, sehe ich jeden Tag
mindestens fünf Holzladungen, die in die nächste Stadt gefahren werden, ohne
dass sich jemand die Mühe machen würde, die Transporte zu tarnen oder heimlich
durchzuführen. Diese Woche erst trafen wir in der Nähe des Wasserfalls auf zwei
junge Männer mit Campingausrüstung und Sägen. Ein Kollege informierte sofort
die zuständigen Behörden und das Forstwirtschaftskommittee. Von Letzterem
erfuhr er jedoch, dass die beiden zuvor einer örtlichen Polizeistation einen
Besuch abgestattet hatten. Angesichts der Unverfrorenheit, mit der hier Bäume
abgeholzt und abtransportiert werden, wäre es kaum eine Überraschung, wenn die
Polizei am Gewinn beteiligt würde…
Dass illegale Abholzung in Kambodscha ein riesiges Problem ist, an dem auch der Verwaltungsapparat und die Polizei mit Schuld sind, ist an sich nichts Neues. Aber es im eigenen Projektgebiet so mitzuerleben ist doch nochmal etwas anderes. Tagsüber fährt man durch eher trostloses Buschland, das den Erzählungen meines Kollegen Sean zufolge vor 15 Jahren noch von dichtem Dschungel bewachsen war, wobei man den Blick über grün-braune Hügel schweifen lässt, deren Waldbestand sich schon merklich gelichtet hat und von denen immer mal wieder weiße Rauchfahnen aufsteigen. Nachts erkennt man dann plötzlich mit erschreckender Deutlichkeit, an vielen Stellen der Wald tatsächlich brennt - in einer nur vom Sternenlicht erhellten Gegend ist jedes noch so kleine Feuer weithin sichtbar. Ich habe meine Kollegen gefragt, wie die Brände entstehen, da es sich ganz offensichtlich nicht um Rodung zur Schaffung von Anbauflächen handelt. Bloße Achtlosigkeit, sagen sie. Die Holzfäller bereiten sich etwas im Wald etwas zu Essen zu und machen sich nicht die Mühe, das Feuer hinterher auszumachen. Und abgesehen davon kann in dieser staubtrockenen Jahreszeit auch schon ein weggeworfener Zigarettenstummel reichen.
In einem Land wie Kambodscha, in dem Polizisten aufgrund
ihres niedrigen Gehalts auf zusätzliche Einnahmen angewiesen sind, kann man
gegen solche Geschäfte nur vorgehen, indem man alternative Einkommensquellen
schafft und den Menschen beweist, dass die Wälder mehr wert sind, wenn sie
erhalten bleiben. Wenn Touristen in die Gegend kommen, um sich in der Natur zu
erholen, entsteht auch ein Anreiz diese zu schützen. Bleibt nur zu hoffen, dass
bis dahin noch Wälder übrig sind…
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